Empirisches: Grundbegriffe der Volkswirtschaft

Was müssen wir über die Wirtschaft wissen, in der wir leben, wenn wir sie in Richtung eines besseren Lebens für alle verändern wollen? Die eigene Erfahrung lehrt uns: Der Wirtschaft können wir als einzelne Person nicht entkommen. Wir nehmen immer direkt oder indirekt an ihr teil. Als Lohnabhängige oder Selbstständige wirken wir aktiv an der Erzeugung von Gütern und Dienstleistungen mit, als Schüler/innen, Student/innen, Arbeitslose oder Pensionist/innen konsumieren wir jene Güter, die andere erzeugt haben. In wirtschaftlichen Krisenzeiten steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir arbeitslos werden oder unseren Betrieb aufgeben müssen, der Staat spart bei den Sozialausgaben, viele von uns geraten in die Schuldenfalle. 

Wenn wir über unsere Welt etwas aussagen wollen, sollten wir uns möglichst bewusst sein, mit welchen Methoden und Denkstrukturen wir an die Wirklichkeit herangehen. Die Alltagserfahrung lässt uns Beschreibungen verwenden, die von den meisten Mitmenschen geteilt werden. Obwohl auch sie von impliziten Theorien ausgeht, werden diese nicht klar ausgesprochen, vielfach sind sie gar nicht in unserem Bewusstsein gegenwärtig. In der Erkenntnistheorie sprechen wir von der „Erscheinung“ der Dinge zum Unterschied von ihrem „Wesen“, das unseren Sinnesorganen nicht direkt zugänglich ist und nur durch Abstraktion (also das Weglassen von unwesentlichen Aspekten der Dinge) erschließbar ist. Die Herausarbeitung des Wesens ist wissenschaftliche Tätigkeit.

Beispiel: Die Fallgesetze in der Physik besagen, dass alle Körper auf der Erde gleich schnell fallen (das Wesen). Tatsächlich fallen aber eine Gänsefeder und eine Metallkugel unterschiedlich schnell (Erscheinung). Das Naturgesetz des gleich schnellen Falls (das Wesen) kann nur durch Abstraktion von den Strömungskräften (in der Praxis näherungsweise durch Absaugen der Luft) erschlossen werden. Im Folgenden nähern wir uns der Wirtschaft auf der Ebene der Erscheinung. Erst später folgen wir den Einsichten von Marx und wenden uns dem Wesen zu.

Das Brutto-Inlandsprodukt

Die WirtschaftsforscherInnen haben eine Maßzahl, das Brutto-Inlandsprodukt (BIP) entwickelt, die anzeigt, wieviele Güter und Dienstleistungen in einem Land (in einem Jahr oder in einem Quartal) erzeugt werden. Das Wachstum des BIP sagt uns, ob ein Land ökonomisch im Aufwind ist oder in einer Rezession (Rückgang). Das BIP ist der am meisten verwendete Wirtschaftsindikator. In der EU ist die Publikation des BIP für alle Mitgliedsstaaten gesetzlich vorgeschrieben. Die Bundesanstalt Statistik Austria (früher Statistisches Zentralamt) veröffentlicht diese Kennzahl und viele andere Indikatoren über die österreichische Wirtschaft und internationale Daten.

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung des BIP in Österreich seit 1955 bis 2016. Man könnte sich vorstellen, dass es sich beim BIP um einen Berg von Gütern und Dienstleistungen handelt, die jedes Jahr erzeugt werden. Wie man sehen kann, hat sich dieser Berg real (unter Weglassen der Preissteigerungen) versechsfacht. Die Kurve gibt an, wie groß das BIP in den einzelnen Jahren der Vergangenheit war, wobei das Preisniveau von 2016 zugrunde gelegt wurde. Wären die Güter und Dienstleistungen zu ihren Preisen berücksichtigt, könnte sich der Berg bei wachsenden Preisen erhöhen, obwohl real kein einziges Gut mehr erzeugt worden ist.

Der größte Rückgang des österreichischen BIP in der Nachkriegszeit erfolgte im Jahr 2009. Er war ein Resultat der Immobilien- und darauf folgenden Finanzkrise in den USA im Jahr 2008. Letztere breitete sich nach Europa aus.

Brutto-Inlandsprodukt real
Abbildung 1: Brutto-Inlandsprodukt real (zu Preisen 2016) 1955-2016 Quelle: Statistik Austria, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, verschiedene Jahre.

Es gab in der Nachkriegszeit aber auch andere Rezessionen (Rückgänge) der Wirtschaftsleistung in Österreich. Um sie deutlicher sehen zu können, ist es praktisch, Wachstumsraten des BIP zu berechnen. Abbildung 2 zeigt sozusagen den Puls der Wirtschaft. Sie gibt an, um wieviel Prozent das reale BIP pro Jahr wächst (oder in Krisenjahren auch schrumpft).

Wachstum Brutto-Inlandsprodukt
Abbildung 2: Das jährliche Wachstum des realen Brutto-Inlandsprodukts in Österreich
Quelle: Statistik Austria online

Das BIP ist trotz vieler Schwächen[1] eine wichtige Kenngröße. Wie die nach unten geneigte gerade Linie (der so genannte Trend) in Abb. 2 zeigt, ist das Wirtschaftswachstum in den vergangenen sechzig Jahren im Durchschnitt immer kleiner geworden. Bis 1975 lief die Wirtschaftsentwicklung mit Wachstumsraten zwischen 2 und beinahe 12 (!) Prozent ziemlich gut. Die hohen Wachstumsraten waren für den Wiederaufbau und die Modernisierung der Wirtschaft nötig. 1975 kam es zum bisher größten Einbruch im Wirtschaftswachstums. Die hohen Wachstumsraten wurden von einer Periode von Stagnationsjahren abgelöst, in denen in etwa Nullwachstum herrschte (1975, 1977, 1981, 1984 und 1993). An den niedrigen Wachstumsraten hat auch der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 nichts geändert. Im Gegenteil, der Wirtschaftseinbruch im Zuge der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 war mit einer Schrumpfung von beinahe 4 Prozent der bisher größte in der Nachkriegszeit.

Vergleicht man die Wachstumsraten der Volksrepublik China der letzten beiden Jahrzehnte mit Österreich, schneidet Österreich ebenso wie die EU-Länder und die USA ihr gegenüber ziemlich schlecht ab. Andererseits ist ein hohes Wirtschaftswachstum mit hohem Ressourcenverbrauch und mit vermehrter Umweltbelastung verbunden. In dieser Hinsicht werden wir in allen entwickelten Ländern gut beraten sein, uns auf längere Sicht von positiven Wachstumsraten der Wirtschaft zu verabschieden und uns eher auf Umverteilen als auf Wachsen einzustellen.

Lohnabhängige und Arbeitslose

Jeder und jede weiß, dass der Reichtum an Gütern und Diensten, der jedes Jahr in Österreich zusätzlich zum bereits vorhandenen hinzugefügt wird, nicht vom Himmel fällt, sondern das Ergebnis menschlicher Arbeit ist. Bei einer Gesamtbevölkerung von 8,7 Millionen befanden sich 2016 etwas mehr als 3,5 Millionen Menschen in einem Lohnarbeitsverhältnis (Abb. 3, linke Skala). Etwas weniger als eine halbe Million war selbstständig.[2]

In Abbildung 3 zeigt sich eine paradoxe Entwicklung: Obwohl die Zahl der Lohnabhängigen von 1,7 Millionen (1946) bis um ca. 2 Millionen auf fast 3,7 Millionen (2017) zugenommen hat, wuchs auch die Zahl der Arbeitslosen (Abb. 3, rechte Skala) um rund zweihundertfünfzigtausend Personen. Man sollte erwarten, dass bei einer Zunahme der Lohnabhängigen die Arbeitslosen weniger werden. Aber dem ist nicht notwendigerweise so. Was die Grafik der Lohnabhängigen verschweigt, ist die durchschnittliche Arbeitszeit und die demographische Entwicklung. Die neuen Arbeitsplätze sind vor allem für Frauen vorwiegend Teilzeitarbeitsplätze (Abb. 4), und die Zuwanderung nach Österreich ist gestiegen, was zu einer Erhöhung des Arbeitskräftepotentials[3] geführt hat (Abb. 5).

 

Unselbständig Beschäftigte und Arbeitslose in Österreich
Abbildung 3: Unselbständig Beschäftigte und Arbeitslose in Österreich
Quelle: Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Umwelt und Konsumentenschutz
http://www.dnet.at/elis/Tabellen/Arbeitsmarkt/xls/zeitreih_UB_AL.xlsx

Wie Abbildung 4 zeigt, ist die Zahl der Arbeitsverhältnisse für beide Geschlechter gewachsen, allerdings für Frauen weit stärker als für Männer. Die Frauen haben die Beschäftigung der Männer beinahe eingeholt. Allerdings sind nur rund 5 Prozent der Männer in Teilzeitbeschäftigung, aber fast die Hälfte der Frauen.

Beschäftigungsverhältnisse und Teilzeitbeschäftigung nach Geschlecht
Abbildung 4: Beschäftigungsverhältnisse und Teilzeitbeschäftigung nach Geschlecht
Österreich 1994-2016
Quelle: Statistik Austria online, Erwerbstätige und unselbständig Erwerbstätige nach Vollzeit/Teilzeit und Geschlecht seit 1994

 

 

Durch die Zunahme der Wohnbevölkerung (Abbildung 5) gelangten mehr Personen auf den Arbeitsmarkt. Dies ist ein zweiter Grund für den Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Entwicklung der Wohnbevölkerung

Abbildung 5: Entwicklung der Wohnbevölkerung in Österreich
Quelle: Statistik Austria online

 

Weitere Informationen über die Lage der arbeitenden Menschen finden sich hier.

Arbeitsproduktivität und Löhne/Gehälter

Bisher haben wir das Brutto-Inlandsprodukt als Indikator für die Summe der über den Markt gehandelten Güter und Dienstleistungen kennengelernt, also das, was die Erwerbstätigen in einem Jahr erzeugt haben. Ein weiterer Indikator, die Arbeitsproduktivität, ergibt sich, wenn wir das Brutto-Inlandsprodukt berechnen, das im Durchschnitt pro Erwerbstätigem/r erzeugt wird.

Bedeutung der Arbeitsproduktivität

Er ist besonders wichtig, zeigt er doch an, wie leistungsfähig eine Volkswirtschaft ist. Für Lenin war die Arbeitsproduktivität von besonderer Bedeutung, denn er war der Ansicht, dass sich ein sozialistisches Land auf längere Sicht ohne hohe Arbeitsproduktivität nicht wird halten können. Daher versuchte er, in der Sowjetunion durch verschiedene Methoden die Arbeitsproduktivität zu steigern. Die wichtigste war die Bildung. Innerhalb von zwanzig Jahren erreichte die Sowjetunion den Alphabetisierungsgrad der mittel- und westeuropäischen Länder vom Ende des 19. Jahrhunderts. Die zweite Methode war der Einsatz von technischen Hilfsmitteln. Lenins Slogan „Kommunismus ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes“ wurde zum Ausgangspunkt für den Aufbau eines riesigen Netzes zur Erzeugung elektrischer Energie. Beide Entwicklungen schufen die Grundlage dafür, dass die Sowjetunion zur zweitgrößten Industriemacht der Erde aufstieg. Bis in die 1980er Jahre gelang es der Sowjetunion nicht, den Produktivitätsvorsprung der entwickelten kapitalistischen Welt einzuholen – die wichtigste Ursache für ihr Ende und das der realsozialistischen Welt.

In Österreich ist die Arbeitsproduktivität seit 1955 mit wenigen Ausnahmen immer gestiegen, das heißt, dass die lohnabhängige Bevölkerung beinahe jedes Jahr mehr erzeugte als im Vorjahr. Waren es 1955 noch weniger als 30.000 Euro pro Erwerbstätigem/r (rückgerechnet von den heutigen Daten), erreichte das Produktivitätsniveau 2016 etwas mehr als 93.000 Euro pro Jahr (Abb. 6). Die durchschnittliche Leistung eines Erwerbstätigen hatte sich mehr als verdreifacht. Auch in Österreich spielte dabei die Ausstattung mit moderner Technologie eine wesentliche Rolle. Allerdings gibt es seit 2007 nach dem Einbruch 2009, der durch die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise verursacht wurde, bisher keine großen Zuwächse mehr.

Entwicklung der Arbeitsproduktivität
Abbildung 6: Entwicklung der Arbeitsproduktivität (gemessen am realen Brutto-Inlandsprodukt pro Erwerbstätigem/r) und der Netto-Reallöhne nach Geschlecht 1997-2016.
Quellen: Arbeitsproduktivität: BIP zu laufenden Preisen aus der Publikation der Statistik Austria „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen 1995-2016“, Tabelle 1, für das Jahr 2015, fortgeschrieben mit den verketteten Volumenindizes des BIP aus Tabelle 8. Das so erhaltene BIP wurde durch die Zahlen der Erwerbstätigen aus der Tabelle 12 dividiert.
Einkommen: Medianeinkommen aus den Daten der Statistik Austria (online) für die Nettojahreseinkommen der Unselbständigen (Median), die für Männer und Frauen getrennt ausgewiesen werden. Sie wurden mit dem HJVPI (Harmonisierter Verbraucherpreisindex 2015, ebenfalls online von Statistik Austria) in reale Einkommen umgerechnet.

Wie sah es aber mit der Abgeltung dieser gestiegenen Leistung aus? Abbildung 6 zeigt den ersten Skandal: Obwohl die pro-Kopf-Leistung der Werktätigen seit 1997 fast um ein Drittel anstieg, blieben die Netto-Reallöhne (Löhne nach Abzug der Steuern und der Preissteigerungen) dagegen bis heute auf etwa dem gleichen Niveau wie 1997. Der Slogan: „Leistung muss sich lohnen“ ist in Österreich nicht erfüllt. Dagegen lernen wir aus diesen Fakten: Lohnarbeit lohnt sich nicht! Die volle Wirklichkeit ist noch schlimmer: Auch bei den Lohneinkommen stiegen die höheren weiter an, während die niedrigen in der Tendenz zurückgingen.

Ein zweiter Skandal lässt sich aus Abbildung 6 ablesen: Seit zwanzig Jahren ist – trotz vieler Beteuerungen der Politik, dass sich dies ändern müsse – der Netto-Reallohn der Frauen um ein Drittel niedriger geblieben als jener der Männer. Diese Grafik zeigt, dass die Forderung „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ bisher unerfüllt geblieben ist.

Genauere Auskünfte über die soziale Lage in Österreich gibt der jüngste Sozialbericht des Sozialministeriums, Sozialpolitische Entwicklungen und Maßnahmen 2015-2016. Sozialpolitische Analysen.

Effektivierung und Humanisierung (zu überarbeiten in verständlicherer Sprache!!!)

Abbildung 6 bietet eine gute Gelegenheit, zwei Begriffe einzuführen, die eine Einschätzung der Qualität einer Gesellschaft erlauben. Effektivierung und Humanisierung sind das Begriffspaar, das einerseits die Virtuosität einer Gesellschaft im Umgang mit der Natur, andererseits den Grad des humanen Umgangs mit ihren Mitgliedern zum Ausdruck bringen soll. Effektivierung lässt sich durch die Produktivität der Arbeit ausdrücken, in marxistischen Begriffen durch den Stand der Produktivkräfte (der Entwicklungsgrad menschlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie der Stand von Wissenschaft und Technik). Humanisierung weist auf die Teilhabe der Menschen einer Gesellschaft am Gemeinwesen hin. Gibt es demokratische Mechanismen, die es den Mitgliedern erlauben, auf die Entwicklung ihrer Gesellschaft Einfluss zu nehmen? Werden die sozialen und individuellen Menschenrechte eingehalten? Werden politische Lösungen von Konflikten der Anwendung von Gewalt vorgezogen?

Die beiden Kenngrößen haben den Vorteil, dass sie fraktal, das heißt, auf unterschiedliche Ebenen, angewandt werden können. Sie lassen sich auf die globale Ebene, auf die Ebene eines Wirtschaftsraums, auf die nationale oder regionale Ebene genauso beziehen wie auf die Ebene eines einzelnen Betriebs.

In Abbildung 6 ist der Grad der Effektivierung in Österreich anhand der Entwicklung der Arbeitsproduktivität abzulesen, der Grad an Humanisierung am realen Netto-Medianeinkommen von Männern und Frauen. Während die Effektivierung zumindest bis zur großen Krise 2009 ziemliche Fortschritte gemacht hat, ist es mit der Humanisierung nicht weit her. Die Zuwächse des BIP gelangten nicht in die Taschen der Lohnabhängigen, außerdem haben Frauen nach wie vor wesentlich geringere Löhne und Gehälter als Männer.

Investitionen – die Triebfeder der Wirtschaft

Die für das Wirtschaftswachstum wahrscheinlich wichtigste Kenngröße sind die Investitionen. Sie lassen sich in Bau- und Ausrüstungsinvestitionen unterteilen. Die Ausrüstungsinvestitionen bestehen aus Maschinen, Fahrzeuge, Computer, Einrichtungsgegenstände usw. Das Kennzeichen gegenüber Konsumgütern ist, dass sie in Betrieben Anwendung finden und dass sie eine Lebensdauer von länger als einem Jahr haben. Werden Güter im Betrieb in kürzerer Zeit verbraucht, sprechen die Ökonomen von intermediären Lieferungen. Sie bestehen aus Roh- und Hilfsstoffen oder Halbfertigwaren, aber auch aus Energieträgern.

Man kann davon ausgehen, dass größere Investitionen zu höheren Produktionskapazitäten führen. Ein höheres Wirtschaftswachstum entsteht erst, wenn die kaufkräftige Nachfrage nach den Produkten, die erzeugt werden, tatsächlich vorhanden ist. Sind die Löhne und Gehälter im Verhältnis zum Angebot an Gütern zu niedrig, versuchen die Unternehmen, in den Export auszuweichen und dort ihre Waren zu verkaufen.

Wie Abbildung 7 zeigt, ist die Investitionstätigkeit als Prozentsatz am BIP in den letzten 20 Jahren im Trend deutlich gesunken. Investitionen werden entweder brutto oder netto angegeben. Die Netto-Investitionen ergeben sich aus den Brutto-Investitionen durch Abzug der volkswirtschaftlichen Abschreibungen (sozusagen die jährliche Abnützung der Bauten und Ausrüstungsgegenstände). Sie stellen in etwa den Zuwachs an Kapital in der Volkswirtschaft dar.

 

Brutto- und Netto-Investitionen am Brutto-Inlandsprodukt in Prozent
Abbildung 7: Brutto- und Netto-Investitionen am Brutto-Inlandsprodukt in Prozent
Quelle: Statistik Austria. Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 1995-2016, Tabelle 17 und Tabelle 20.

Die Investitionsquoten Österreichs sind etwa halb so groß wie etwa jene der Volksrepublik China. Sie führen zu einem wesentlich geringeren Wirtschaftswachstum. Dennoch nimmt der gesamte Kapitalbestand der österreichischen Wirtschaft – wenn auch langsamer – zu.

Investitionen sind nicht nur für die quantitative Entwicklung der Wirtschaft verantwortlich. Es ist genauso wichtig, in welche Betriebe und welche Produkte oder Dienstleistungen investiert wird und wer darüber bestimmt. Es ist nicht gleichgültig, ob in Rüstungsgüter, in Atomwaffen oder in Krankenhäuser, Schulen oder andere soziale Infrastruktur investiert wird. Wie wir noch genauer sehen werden, ist in einer kapitalistischen Wirtschaft nicht das Wohl der Menschen vorrangig, sondern ob durch die Investitionen Gewinne erzielt werden können.

Außenhandel

Die für eine Volkswirtschaft wichtigen Wirtschaftsbeziehungen zum Ausland werden durch Exporte (Verkauf von Waren und Dienstleistungen ins Ausland) und Importe (Kauf von Waren und Dienstleistungen vom Ausland) gemessen. Wie Abbildung 8 zeigt, ist die österreichische Wirtschaft mit dem Ausland stark verflochten. Sowohl die Exporte wie die Importe machen 2017 etwa die Hälfte des BIP aus. Die Differenz zwischen Waren-Exporten und Waren-Importen wird Handelsbilanz genannt, die Differenz zwischen Dienstleistungs-Exporten und Dienstleistungs-Importen heißt Dienstleistungsbilanz. Sie besteht vorwiegend aus dem Fremdenverkehr und Transport- und Versicherungsleistungen. Die Differenz zwischen allen Exporten und Importen wird Außenbeitrag genannt. Der Außenbeitrag stellt den wichtigsten Teil der Leistungsbilanz dar, die darüber hinaus den Saldo der Erwerbs- und Vermögenseinkommen und die laufenden Übertragungen (z. B. Geldüberweisungen von ausländischen Arbeitskräften) umfasst.

Sind die Importe größer als die Exporte, müssen im Ausland Kredite aufgenommen werden, mit denen der Differenzbetrag abgedeckt wird. In Österreich ist der Außenbeitrag in den letzten Jahren vor allem durch den Fremdenverkehr positiv gewesen, d. h. die Einnahmen aus dem Ausland übersteigen die Ausgaben für Importe, eine für die heimische Wirtschaft günstige Situation, aber mit negativen Auswirkungen für die anderen Länder. Für stabile internationale Wirtschaftsbeziehungen wäre ein Außenbeitrag von Null von Vorteil, wenn also die Exporte gleich groß wie die Importe sind. Dies war auch die Vorgabe in den Ländern des Realsozialismus.

Exporte und Importe in Mrd. Euro
Abbildung 8: Exporte und Importe in Mrd. Euro

Preisentwicklung

Die Preise der Waren sind vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen von besonderer Bedeutung, weil sich nach ihnen der Lebensstandard richtet, den sie sich leisten können. Die Wirtschaftsforschung hat Methoden entwickelt, die es erlauben, die Veränderungen der Preise für bestimmte Warengruppen zu beobachten. Der Verbraucherpreisindex (VPI) zeigt Preissteigerungen für bestimmte Konsumgütergruppen an. Er gibt also das Ausmaß des Geldwertverlustes an, das die Endverbraucher trifft. Weiters wird er für Wertsicherungen und bei Lohnverhandlungen verwendet.

Steigen die Preise des privaten Konsums stärker als die Löhne oder Gehälter, kommt es zu realen Verlusten. Die Kaufkraft der Löhne und Gehälter sinkt. In Kollektivvertragsverhandlungen oder in Verhandlungen über Betriebsvereinbarungen sollte die Gewerkschaft bzw. der Betriebsrat versuchen, diese Einbußen durch Lohn/Gehaltssteigerungen zu kompensieren.

Da sich das Verhalten der KonsumentInnen beständig ändert, muss der Warenkorb, der für die Berechnung des Preisindex herangezogen wird, alle fünf Jahre an die reale Entwicklung angepasst werden. Daher veröffentlicht die Statistik Austria verschiedene Verbraucherpreisindizes, denen unterschiedliche Warenkörbe aus den angegeben Jahren zugrunde liegen (z. B. VPI 2015).

Bis 2016 wurde für PensionistInnen-Haushalte ein eigener Index berechnet, um die besondere Situation der älteren Menschen bei den Verhandlungen um die Pensionserhöhungen berücksichtigen zu können. Statistik Austria hat nach 15 Jahren mit Jänner 2016 die Berechnung des Preisindex für PensionistInnen-Haushalte leider eingestellt.

Veränderung der Preise
Abbildung 9: Veränderung der Preise für den privaten Konsum und der Importe in Prozent pro Jahr
Quelle: WIFO Datenbank online

Die Nachfrageschwäche, die als Folge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise aufgetreten ist, hat in der Europäischen Union im Unterschied zu Österreich zu relativ kleineren Preissteigerungen[4] oder sogar zu Preisrückgängen geführt. Die Wirtschaftspolitik der EU will solche rückläufigen Preise vermeiden, denn dadurch könnte es zu Kaufzurückhaltungen kommen. Vor allem die Investoren werden auf eine noch größere Verbilligung der Güter warten und ihre Investitionen aufschieben. Die Europäische Zentralbank hat daher seit 2015 versucht, die Inflationsrate durch monatliche Geldspritzen von zunächst 80 (!) Mrd. Euro auf 2 Prozent pro Jahr zu steigern, allerdings mit nur geringem Erfolg.

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